Die Vinopathen drücken die Schulbank. Nach den haarsträubenden Verfehlungen in der Jukebox-Degustation, haben sich die Freunde der globalen Weinmusik selbst Nachsitzen aufgebrummt. Na gut, von aufbrummen kann eigentlich nicht die Rede sein, wenn die Vinopathen ein Weinatelier an der Académie du Vin im Belvoirpark in Zürich besuchen. Das Thema «Herkunft blind erkennen» verspricht Besserung für die Ergebnisse künftiger Jukebox-Degustationen.
Hans Babits, Weinakademiker und gelernter Koch weist die Vinopathen, und zahlreiche weitere Weininteressierte, in die Kunst der geografischen Zuordnung weisser und roter Weine dieser Welt ein. Das Schnüffeln und Testen findet statt, ohne zu wissen was in den Gläsern 1 bis 6 eingeschenkt wurde. Blind degustieren mag etwas nach geografischem Aromaroulette klingen, ist aber mit System und etwas Übung durchaus eine seriöse Sache. «Wozu soll ich blind degustieren, die Suche der Nadel im Heuhaufen ist doch nur Weinprahlerei. Entscheidend für mich ist lediglich, ob ich den Wein mag oder nicht.» So klingen vielleicht die Argumente, wenn man sich einer Blamage am Glas entziehen will. Die Vinopathen sehen das nicht erst seit der vermasselten Jukebox-Degu etwas anders. Wenn ich verschiedene Weine beurteilen will, muss Qualität und Geschmack erst mal vergleichbar gemacht werden. Das klingt nun etwas analytisch und wenig genussreich. Nun, das stimmt auch, aber nur bedingt. Das Geniessen und das Prüfen von Qualität sind in diesem Falle auch zwei grundverschiedene Dinge. Ich habe für mich aber festgestellt, dass benennen und vergleichen den Genuss massgeblich steigern kann. Letztendlich geht es darum, mir über Qualität, Preis und Trinkspass ein Urteil zu Bilden. Am Ende kommt wie beim Winzer alles zusammen in ein Fass, das mein Gesamturteil darstellt. Grundvoraussetzung für ein unvoreingenommenes Urteil bezüglich aller Faktoren stellt die Anonymität des Flascheninhaltes dar. Etiketten, Traubensorte, Herkunft und dergleichen schüren Erwartungen. Diese wiederum beeinflussen stark die Empfindungen. Blinddegustationen sind eine ausgezeichnete Möglichkeit, Erkenntnisse zu gewinnen, die man mit Vorwissen bestimmt nicht gemacht hätte. Der Wissende umschreibt den Cabernet, den er im Glas weiss, mit geläufigen und bekannten Begriffen zu dieser Rebsorte, ähnlich wie gelernte Spielzüge, um endlich Grossvater im «Mühlespiel» zu besiegen. Unwissen jedoch zwingt mich genauer zu riechen, genauer zu schmecken. Die Empfindungen und Aromen, ja alles was ich aus dem Wein herauslesen kann, aufzuschreiben und in ein Gesamtbild zu bringen. Dieses gemalte Bild häng ich mir nun an die Wand und kann mich nicht satt sehen. Oder ich verstaue es auf dem Dachstock, ohne den Wunsch es je wieder zu sehen. Das Urteil jedoch beruht auf meinen unvoreingenommenen Empfindungen. Das hier nach dem Blick unter den Flaschenverhüller oft gefestigte «Weinmythen» auf den Kopf gestellt werden können, ist vorhersehbar. Dies auch bei ausgewiesenen Degustationsprofis, versteht sich. Die Fähigkeit unabhängig zu Urteilen wirkt sich befreiend auf das Portemonnaie und auch auf den Genuss aus.
Zurück zum Weinabend in fachmännischer Anleitung. Hans Babits zeigt anhand eines strukturierten Vorgehens, wie die Fakten zu den einzelnen Gläsern gesammelt werden können. Mit diesen Fakten und etwas Erfahrung kann ich nun treffende Rückschlüsse darauf ziehen, was ich für einen Wein im Glas habe. Klimatische Einflüsse, Rebsorten, Säure, etc., alle diese Puzzelteile richtig kombiniert, ergeben ein Profil. Mit diesem Profil kann ich den Wein seiner Herkunft überführen. Der Abend hat den Vinopathen gezeigt, dass Verfehlungen im Weinmonopoly grossen Lerneffekt haben, der Geschmack von Vanille einem nicht zwangsläufig auf den Holzweg führen muss, und dass der Weg vom Glas zum Etikett spannender ist, als der einfache Weg vom Etikett ins Glas. Und es bleibt festzuhalten: Auch ein blinder Vinopath findet mal ein Korn … äähh Herkunftsgebiet.
Frohes Weinsein!