Gang zur Kapelle

Dies ist eine Geschichte zwischen einem grossen Wein und den Abgründen des Detailhandels. Die Geschichte trug sich an einem Samstagvormittag nach unserer Jukebox-Degustation zu. Ich brachte am Abend zuvor einen La Chapelle 1996 von Paul Jaboulet mit, den ich im Weinfachgeschäft «Traité» in Winterthur gekauft hatte. Ein Wein der zweifellos grosse Erwartungen schürte. Das Ergebnis war jedoch katastrophal und enttäuschend. Er roch wie ein Biss in einen Velopneu, keine Frucht, bissiger Benzingeruch. Ich dachte zuerst, wir haben die Grillanzündflasche erwischt. Ich also am Samstagvormittag mit dem «Chapelle» unter dem Arm zum Traité marschiert. Was ich da erlebt habe, will ich euch gerne erzählen.

 

Ich bin um 11.00 Uhr in den Laden gekommen und habe eine freundliche Begrüssung vorausgeschickt, um meine friedlichen Absichten vorwegzuschicken. Ich habe die Flasche auf den Tresen gestellt und erzählt, dass ich diesen Wein bei ihnen gekauft habe. Dann habe ich unser Verkostungsresultat geschildert und um eine Einschätzung ihrerseits gebeten.

1. Kommentar der Dame: «Da ist zuwenig in der Flasche, den können wir nicht umtauschen!»
Ich: «Ok, mir geht es erstmal um eine Beurteilung von ihnen zum verkauften Wein.» Es sei hier nochmals angemerkt, dass ich weder nach Umtausch, noch nach Geldrückgabe gefragt habe. Wir waren der Meinung, dass dieser Wein stark fehlerhaft ist. Da wir aber alle noch nie 15-jährigen Chapelle getrunken haben, würde mich ihre Meinung dazu sehr interessieren.
Sie: Zieht den Zapfen ab, schnuppert an der Buddel und sagt: «Also mein Eindruck ist, der hat keinen Fehler. Er haut mich jetzt auch nicht vom Hocker, aber Fehler hat er keinen»
Ich: «Vom blossen Schnuppern?»
Sie: «Ich kann um 11.00 noch keinen Wein probieren und bin zudem etwas erkältet.»
Ich: «Aha, aber dass er fehlerfrei ist, riechen sie schon an der Flasche?» Ich vermute, von hier weg habe ich es mit der Dame etwas verscherzt.
Sie: «Ich kann ihnen den nicht ersetzen, die muss mehr als 2/3 voll sein.»
Ich: «Ich will von ihnen wissen, ob der Wein nach ihrer Einschätzung in Ordnung ist. Mir wurde ein Wein für 95.- verkauft, mit 20 bis 30 Jahren Lagerpotenzial wohlgemerkt.» Er sei jetzt auf optimaler Genussreife wurde mir gesagt. Kräftig mit noch viel Frucht und graziler Gestalt, etc. «Ich will nur wissen, ob sie nicht auch etwas anderes unter dieser Beschreibung verstehen als diesen Velopneu.» Ich und meine Freunde seien sehr enttäuscht gewesen ob dieser Flasche.
Sie: «Jaboulet sei ein namhafter Produzent und man zahle halt auch etwas den Namen und auch diese Weine können Fehler haben.» Sie könne mir den jetzt nicht…blablabla…
Ich: «Mir ist klar, dass sie ihn nicht ersetzten wollen, ich will nur etwas schlauer werden für 95.- Franken. Ich würde gerne eine zusätzliche Einschätzung haben von jemandem, der den Wein kennen müsste, da sie den ja verkaufen. Jeder Wein kann einen Fehler haben, aber das hat ja nichts mit dem Namen zu tun. Eventuell ist es für sie ja von Interesse zu wissen, wenn ein teurer Wein aus ihrem Sortiment einen Fehler hatte.»

Ich habe meine Telefonnummer hinterlassen, die Flasche hingestellt.

Ich: «Es soll doch jemand diesen Wein probieren, der ihn kennt und mir etwas dazu sagen kann». Ich wolle keine Flasche zurück, wenn mir aus erklärten Gründen keine zusteht, aber zumindest eine Einschätzung. So quasi als «Lehrblätz».
Sie: «ja gut ich schau was ich machen kann (????)!»
Ich: «auf (vielleicht) Wiedersehen!»

Stinksauer verliess ich den Laden. Ich hätte mindestens etwas Verständnis für meine Enttäuschung erwartet. Eventuell ein «Sorry, das tut uns leid». Nichts, von Beginn weg auf Abwehrhaltung. Es ist anzunehmen, dass es der Verkäuferin schlichtweg egal war. Da wurde ich doch einfach etwas für dumm verkauft. Für mich stand es ausser Diskussion, dass dieser Wein einen Fehler gehabt haben muss. Ich wollte das bestätigt haben, denn was weiss ich schon von einem Hermitage von diesem Kaliber. Ich glaube, die hielten mich für einen kleinen Wichtigtuer, der eine halb leergetrunkene Flasche aus Geldnöten umtauschen will. Das wäre mir in einem guten Weinfachgeschäft sicher nicht passiert. Übrigens, ich habe nie etwas gehört seither zu meinem «Chapelle 1996». Ich glaube da gehe ich sicher nicht mehr hin. Hier endet dann auch mein Verständnis für das Jammern des Detailhandels. Wenn ich meine Kunden so behandle, dann sollte man sich doch besser auf das Flaschen einräumen beschränken.

Froheres Weinsein!

 

 

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